Franco und das Leben auf der Hütte
Der Wecker klingelt morgens um halb fünf. Franco, seine Frau Sandra und die Kinder Elena und Federico gehen in die Küche hinunter, kochen Kaffee und treten vor die Tür, um die ersten Sonnenstrahlen zu bewundern, die hinter dem Grat der Marmolada aufleuchten.
„Die Stille um diese Uhrzeit hat etwas Unwirkliches, und der Sonnenaufgang raubt uns jeden Morgen aufs Neue den Atem. Besonders im September, wenn die Luft so klar ist“, erzählt Franco. „Es ist der einzige Moment des Tages, der nur uns alleine gehört, denn die Gäste schlafen noch. Außerdem habe ich immer schon gerne den Tagesbeginn erlebt. Ich habe dann das Gefühl, dass alles möglich ist und kann es kaum erwarten, neue Abenteuer zu erleben.“
Ein neues Abenteuer hat für Franco Nicolini und seine Familie auch im Jahr 2011 begonnen, als sie die Berghütte Rifugio Tosa Pedrotti auf 2.491 Metern über dem Meer pachteten, mitten in den Brenta-Dolomiten.
„Wir kümmern uns hier um die Besucher mit der Einstellung von Menschen, die die Berge wirklich leben und lieben.“
“Für Leute, die sich in den Bergen nicht so gut auskennen, ist schon das Erreichen der Hütte eine echte Leistung. Manche wundern sich dann darüber, dass man hier in Matratzenlagern schläft und können gar nicht fassen, dass abends um zehn zur Hüttenruhe alle Lichter ausgehen. Die Bergsteiger dagegen sind an all das gewöhnt. Sie steigen abends auf, um auf der Hütte zu schlafen und brechen am nächsten Tag früh zu ihren Klettertouren auf.“ Familie Nicoletti bewirtet alle wie alte Freunde.
„Wir sind eine Schutzhütte, und unsere Aufgabe besteht nicht nur darin, Pasta zu servieren. Wir beantworten Fragen, empfehlen Touren, warnen bei aufkommendem schlechtem Wetter. Bei Unfällen oder Notfällen sind wir immer der erste Ansprechpartner.“
„Ich wünsche mir, dass die Leute verstehen, dass auch eine schlichte Gemüsesuppe hier oben das Ergebnis aufopferungsvoller Arbeit vieler Menschen ist.“
„Die Hütte ist wie ein kleines Dorf. Strom muss produziert, Wasser herangeschafft und der Müll zurück ins Tal transportiert werden. Das sind Dinge, die im täglichen Leben selbstverständlich geworden sind, aber hier auf 2.500 Metern Höhe erfordern sie Einfallsreichtum und Organisation“, erklärt Franco. Das Gleiche gilt auch für die Versorgung mit Lebensmitteln, und das erst recht, wenn man bedenkt, wie viele Gäste die Hütte jeden Tag hat.
„Am Anfang hatten wir auch den Einsatz eines Hubschraubers in Erwägung gezogen, aber es wäre nicht die beste Lösung gewesen. Bei Nebel oder wenn es regnet, hätten wir riskiert, ohne Vorräte dazustehen, weil der Helikopter nicht fliegt. Also haben wir beschlossen, stattdessen die bereits existierende Materialseilbahn in Ordnung zu bringen und leistungsfähiger zu machen. Es bleibt trotzdem ein unglaublicher Aufwand. Nehmen wir zum Beispiel mal eine Kiste Tomaten: Im Geschäft in Molveno wird sie auf einen Geländewagen geladen und zur Hütte Croz dell’Altissimo hochgefahren. Hier wird sie auf die Materialseilbahn umgeladen und schwebt 2000 Meter weiter hoch, bis meine Frau Sandra sie schließlich in Händen hält. Sandra ist übrigens die wahre Seele unserer Hütte; sie plant die Speisekarte, kocht, hat in der Küche alles im Blick. Ohne sie könnten wir überhaupt nichts servieren!“
“Seit wir W-LAN limitiert haben, singen die Leute wieder.“
Wenn dann in der Hütte mal modern Zeiten anbrechen, so sorgt das nicht zwangsläufig für Verbesserungen. „Als wir W-LAN installiert hatten, mussten wir schnell feststellen, dass die Leute beim Abendessen nicht mehr mit ihren Tischnachbarn geredet sondern nur noch auf ihr Handy gestarrt haben. Die typische Atmosphäre eines Hüttenabends war verlorengegangen, diese Möglichkeit, sich mal mit jemandem zu unterhalten, den man nicht kennt. Vielleicht sogar Freunde zu werden. Ich meine, wir hatten hier früher mal Leute, die sich nach ihrer ersten Begegnung auf der Pedrotti-Hütte verliebt haben und sogar geheiratet.“
Daher also die Entscheidung, ein Schild aufzustellen mit der Info, dass während des Abendessens W-LAN ausgeschaltet bleibt. „Die Leute spielen jetzt wieder Karten oder knobeln. Und während zu W-LAN-Zeiten keiner mehr gesungen hat, hören wir jetzt abends wieder die schönen alten Bergsteigerlieder. Und wer nicht singen kann, der pfeift oder klatscht den Takt.“ Franco beantwortet solange Fragen oder gibt Tourentipps für den nächsten Tag.
Wenn es dann zehn Uhr schlägt und alle Lichter ausgehen, gilt für alle Nachtruhe. Ein paar Stunden Schlaf bleiben Franco, Sandra, Elena und Federica, bevor sie wieder aus den Federn steigen, den Sonnenaufgang bewundern und mit der Arbeit anfangen. Schließlich werden auch heute wieder viele Bergsteiger auf der Hütte erwartet.
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